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8 FRAGEN AN FABIAN TREIBER
Fabian Treiber (*1986) lebt und arbeitet in Stuttgart. Er hat Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Reto Boller studiert.
In seiner malerischen Praxis hat sich Fabian Treiber rein formal den Sujets des Interieur, des Stilllebens und der Landschaft verschrieben und nutzt diese, um in seinen Werken subjektive Projektionen, das Prototypische der Dinge, Typologien und unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit zu hinterfragen.
Hierbei trifft der Künstler seine Entscheidungen im Bild immer formal und nicht narrativ. Dabei provoziert er den bewussten Bruch, um so das vermeintlich Falsche zur Qualität der Malerei zu erklären – mit dem Effekt, dass seine Arbeiten irgendwie nicht stimmen wollen, aber doch genau richtig sind.
Für sein künstlerisches Schaffen erhielt Fabian Treiber zahlreiche Preise und Stipendien und stellt in Einzel- und Gruppenausstellung im In- und Ausland aus.
www.fabiantreiber.de
Du hast dein Studium der Malerei 2016 an der Kunstakademie Stuttgart abgeschlossen. Welches waren deine ersten Schritte in die professionelle künstlerische Tätigkeit?
Rückblickend erscheinen viele Schritte und Übergänge jener Zeit als fließend. Bereits 2013, noch während meines Studiums, hatte ich mich dazu entschlossen, ein eigenes Atelier anzumieten – zunächst noch im Rahmen einer Ateliergemeinschaft. Rückblickend war das ein entscheidender Wendepunkt für mich und meine künstlerische Arbeit. Erst im Anschluss daran beendete ich mein Studium und bewarb mich für das Meisterschülerprogramm, welches ich 2016 abschloss. Das eigene Atelier war für mich ein bedeutender Schritt in Richtung Selbstständigkeit – eine bewusste Entscheidung zugunsten meines künstlerischen Weges.
Etwa zur selben Zeit begann ich, erste Kontakte zu Galerien und Künstler:innen außerhalb Stuttgarts zu knüpfen, mich an Ausstellungen zu beteiligen und ein Netzwerk jenseits der Akademie aufzubauen. Damit einher ging die Entwicklung eines eigenen Arbeitsalltags – einer Organisation und Struktur.
Ich arbeitete in dieser Phase in verschiedenen Aufbauteams, Künstlerateliers und einer Galerie, auch und gerade weil ich Erfahrungen sammeln und mir Wissen aneignen wollte. Professionalität kam dabei nicht plötzlich, sondern entwickelte sich ganz organisch – fast beiläufig. Ohne ein gewisses Maß an Struktur und Eigenverantwortung, angefangen bei der ersten Buchhaltung bis hin zur Erstellung eines ersten Werkverzeichnisses für Bewerbungen, wären die Herausforderungen dieser Zeit nicht zu bewältigen gewesen.
Welche Stipendien, Residenzen und anderen Förderungen hast du zu Beginn deiner Karriere erhalten und inwiefern haben dich diese Programme bei der Weiterentwicklung deiner Arbeit unterstützt? Welche Formen der Künstler:innen-Förderung würdest du dir darüber hinaus wünschen?
Ich bin ziemlich sicher, dass es nicht ein bestimmtes Programm war, das mich besonders unterstützt hat. Vielmehr war es die Tatsache, dass meine Arbeit gesehen wurde – und als förderungswürdig galt. Das hat mich in meiner künstlerischen Position enorm bestärkt. Diese Anerkennung halte ich für zentral. Die Sichtbarmachung durch eine Jury oder Institution – der sogenannte „proof of authority“ – wird häufig unterschätzt. Gerade für junge künstlerische Positionen kann schon die bloße Aufmerksamkeit, das ernsthafte Hinsehen, unglaublich viel bewirken. Viele Förderung müssen dabei gar nicht zwingend finanzieller Natur sein – oft sind es die ,weichen‘ Aspekte, die besonders viel bewegen.
Natürlich verdanke ich dem Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium, der Marianne und Hans-Friedrich Defet Stiftung sowie der Publikationsförderung des Landes
Baden-Württemberg (die 2024 bedauerlicherweise eingestellt wurde,
Anm. d. Redaktion) sehr viel. Vor allem aber haben mir diese Förderungen Selbstvertrauen gegeben – sie haben mich ermutigt, weiterzumachen, dranzubleiben.
Ganz aktuell wünsche ich mir, dass die Förderlandschaft flexibler und altersdiverser wird. Ich erlebe gerade, dass ich mit meiner Arbeit – sei es aufgrund der fortgeschrittenen Karriere oder schlicht meines Alters – zunehmend in eine Lücke gerate. Mit 39 Jahren bin ich für viele Ausschreibungen in meinem Bereich ,zu alt‘,
,zu erfolgreich‘ oder mein Werk gilt als ,zu weit fortgeschritten‘.
Dabei ist es genau diese Phase, in der künstlerische Weiterentwicklung weiterhin essenziell ist. Ich würde mir daher gezielte Förderprogramme für freischaffende midcareer-Künstler:innen wünschen – Programme, die die Entwicklung in dieser wichtigen Karrierephase in den Fokus rücken, ohne an ein konkretes Thema oder Projekt gebunden zu sein.
Welche Strukturen sind für dich wichtig, um deine künstlerische Praxis voranzubringen? Wie organisierst du dich, welche Rolle spielt deine Aktivität in Netzwerken?
Das ist nicht so einfach zu beantworten, wenn man sich innerhalb dieser Strukturen bewegt, also gewissermaßen von innen heraus versucht, sich das Außen vorzustellen.
Was ich sagen kann, ist: Netzwerke waren für mich schon immer von großer Bedeutung. Ich sage bewusst schon immer, denn bereits während meiner Zeit an der Akademie haben einige Freund:innen und ich einen sogenannten Crit Club etabliert. Klassenübergreifend haben wir uns regelmäßig außerhalb der offiziellen Besprechungen in unseren Ateliers getroffen, um unsere Arbeiten zu diskutieren.
Ein Netzwerk bedeutete für mich also von Anfang an nicht Sichtbarkeit um jeden Preis, sondern vielmehr: produktiver Austausch. Miteinander sprechen, sich um präzise Beschreibungen bemühen, voneinander lernen – das war mir immer wichtiger als bei jedem Kunstevent präsent zu sein.
Auch Instagram und andere Plattformen habe ich stets als Werkzeug begriffen –
als Möglichkeit, im Austausch mit internationalen Kolleg:innen zu bleiben und über die Arbeiten im Gespräch zu sein. Glücklicherweise sind darunter ein paar wenige enge Kontakte, mit denen ich bis heute regelmäßig telefoniere oder sie im Atelier besuche. Nach rund zwölf Jahren selbstständiger, meist allein organisierter Arbeit, sind diese Verbindungen – neben den ganz alltäglichen Routinen, die man sich im Laufe der Zeit erarbeitet – zentrale, prägende Strukturen geworden. Sie beeinflussen meine Arbeit, mein Denken und nicht zuletzt mein Durchhaltevermögen.
Wie erlebst du die Arbeits- und Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs, insbesondere im Kontext der aktuellen Krisen?
Zurzeit erlebe ich eine Phase großer Unsicherheit – eine Art ,Zuversichtskrise‘.
Auch wenn meine direkten Arbeitsbedingungen bislang davon weniger betroffen sind, sind es vielmehr diffuse, schwer zu greifende Faktoren, die zunehmend Sorge bereiten.
Künstler:innen scheinen von Natur aus resilient zu sein – viele gehen mit Krisen bemerkenswert produktiv um. Doch die Zumutungen wachsen. Und hier sehe ich einen wunden Punkt, über den wir dringend sprechen sollten. Denn was früher vielleicht ,nur‘ die finanzielle Souveränität oder die Sicherung eines Arbeitsortes betraf, greift heute auf immer weitere Lebens- und Arbeitsbereiche über.
Ich glaube tatsächlich, dass die Krisen im Bereich der Kultur- und Institutionenpolitik tiefgreifender sind – oder werden könnten – als viele sie derzeit wahrhaben wollen. Und ich sehe bislang keine wirklich adäquaten Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Glücklicherweise bin ich im Moment finanziell unabhängig von der öffentlichen Förderlandschaft, doch natürlich nicht von meinen Partnern und Galerien, mit denen ich eng – sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich – verbunden bin. Der Kunsthandel bleibt von den aktuellen Entwicklungen nicht unberührt.
Auch ohne mir anzumaßen, die komplexe politische und wirtschaftliche Lage vollständig zu durchdringen, konnte ich zuletzt Gespräche mit meiner Galeristin in den USA führen und gleichzeitig die Perspektiven meiner europäischen Partner:innen reflektieren. Das wiederzugeben würde hier den Rahmen sprengen – nur ein Beispiel: Meine kommende Ausstellung in Los Angeles wurde verschoben. Gründe waren unter anderem die jüngsten Wahlen, die Brände in Kalifornien und die massiven Kostensteigerungen bei Logistik und Transport. In solchen Momenten verschiebt sich das romantische Bild vom freischaffenden Künstler spürbar in Richtung einer unternehmerischen Existenz. Ich bin gezwungen, flexibel zu bleiben, vorauszudenken und auf Veränderungen zu reagieren – auch wenn diese oft außerhalb meines Einflussbereichs liegen.
Deine Arbeiten sind in renommierten Galerien im In- und Ausland vertreten, z. B. bei Rutkowski;68 in Köln und New York, bei Mark Müller in Zürich oder der Anat Ebgi Galerie in Los Angeles. Wie sind diese Galerist:innen auf deine Arbeiten aufmerksam geworden? Gab es Unterstützung vonseiten der Professor:innen bzw. welche anderen Netzwerke kamen dabei zum Tragen?
So einfach es klingen mag – es ging zumeist um gute Gelegenheiten und immer um überzeugende Arbeiten. Beides, davon bin ich fest überzeugt, hat man als Künstler:in in der eigenen Hand. Ich muss gestehen – und ich hoffe, ich trete damit niemandem zu nahe –, dass uns die Akademie vor über zehn Jahren nicht wirklich intensiv auf die künstlerische Selbstständigkeit, auf die Zusammenarbeit mit Galerien oder auf die Realität des Kunstmarkts vorbereitet hat. Eine wichtige Ausnahme war Reto Boller, dem es ein persönliches Anliegen war, mit unserer Klasse Galerien zu besuchen und Gespräche mit Galerist:innen zu führen. Das war ungemein wertvoll – man konnte ein erstes Gefühl dafür entwickeln, wo man mit der eigenen Arbeit überhaupt hineinpasst und ob einem diese Art der Zusammenarbeit liegt. Für einige meiner Kommiliton:innen entstanden daraus sogar konkrete Ausstellungen oder langfristige Kontakte.
Das meine ich mit ,Gelegenheiten‘. Sie passieren – aber man muss sie erkennen und bereit sein, etwas daraus zu machen. Solche Begegnungen gibt es bis heute: bei Ausstellungseröffnungen, beim gemeinsamen Essen, durch Empfehlungen – das klingt für manche vielleicht nach Magie, Filz oder einer gläsernen Decke. Aber ich habe das persönlich nie so empfunden.
Dann kam Instagram ins Spiel – mir hat dieses Netzwerk anfangs viele Türen geöffnet. Zunächst inhaltlich. Ich konnte meine Arbeit weit über die Grenzen der Stadt, in der ich lebe und arbeite sichtbar machen und spürte zum ersten Mal deutlich, dass ich nicht auf eine bestimmte lokale Arbeitsweise festgelegt war. Neugewonnene Freund:innen aus Kopenhagen luden mich daraufhin zu einer Gruppenausstellung ein – und Kerry Harm Nielsen, mein heutiger Galerist in Kopenhagen, sah meine Arbeiten so zum ersten Mal in eben jener Ausstellung.
Nils Müller, mein Kölner Galerist, traf ich ganz klassisch auf einen Kaffee in Köln, nachdem ein Freund ihm erzählt hatte, wie sehr ich sein Programm schätze – und dass ich ihm gern meine Arbeiten zeigen würde. Mark Müller aus Zürich lernte ich bei einer Ausstellung von Reto Boller kennen, und er lud mich ein, ihm später ein PDF mit meinen Arbeiten schicken. Philipp Haverkampf, mein Berliner Galerist, entdeckte meine Präsentation in der Kunsthalle Düsseldorf anlässlich des Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendiums. Anat Ebgi aus Los Angeles wiederum sah meine Arbeiten zuerst online, besuchte dann aber bei einem späteren Paris-Aufenthalt meine Ausstellung vor Ort, um sich selbst ein Bild zu machen. Zu jenem Zeitpunkt hatten wir schon viel geschrieben und obschon wir uns bis dato nie persönlich begegnet sind, spürte ich, dass sie intuitiv einen guten Zugang zu meiner künstlerischen Praxis hatte.
In all diesen Beispielen ging es immer um Gelegenheiten, um ein Maß an Sichtbarkeit oder um Netzwerke – aber am Ende immer um die Arbeit selbst.
In deiner malerischen Praxis beschäftigst du dich formal mit den Sujets des Interieur, des Stilllebens und der Landschaft. Du nutzt sie, um subjektive Projektionen, das Prototypische der Dinge, Typologien und unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit zu hinterfragen. Nach wie vor ist das Interesse an der Malerei im digitalen Zeitalter ungebrochen, woran liegt das deiner Meinung nach?
Schwierige Frage. Bewegungen und Diskurse verlaufen nie eindimensional.
Vielleicht lässt sich so zunächst erklären, warum es innerhalb der Malerei wieder eine Vielzahl ausdifferenzierter Strömungen gibt – und zugleich, weshalb das Interesse am gemalten Bild im digitalen Zeitalter ungebrochen scheint. Vielleicht liegt diesem Interesse auch ein Missverständnis zugrunde – allerdings ein sehr produktives.
Es wurde ja immer gemalt, und ich halte die Malerei mit ihrer ganz eigenen, unersetzbaren Sprache für absolut wesentlich. Das heutige Interesse könnte aber ebenso ein Nebeneffekt unserer Bildersucht und der vermeintlichen Niederschwelligkeit sein – ein Resultat der Aufmerksamkeitsökonomie oder des individuellen Strebens nach absoluter Sichtbarkeit und grenzenloser Selbstinszenierung. Diese Lücke füllt ausgerechnet die Malerei auf eine paradoxe Weise besonders gut.
Eine andere Erklärung liegt vielleicht in ihrem anachronistischen Charakter: Malerei wirkt wie ein bewusster Widerspruch zu nahezu allen medialen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Während diese Entwicklungen primär visuell, schnell und intermedial funktionieren, ist die Malerei langsam, in vielerlei Hinsicht begrenzt – und letztlich: still. Genau darin liegt für mich ihre große Kraft. Sie widersetzt sich der Dauerbeschleunigung und bietet – beinahe trotzig – eine Form der Kontemplation. In dieser Stille liegt etwas zutiefst Poetisches. Und ich glaube fest daran, dass darin eine tiefe menschliche Sehnsucht berührt wird.
Momentan bist du als Mentor am Kunstbüro Mentoring beteiligt. Worin liegt für dich die besondere Qualität eines solchen Programms?
Ich glaube, das ist im bisherigen Gespräch wahrscheinlich schon deutlich geworden. In einem Interview lassen sich meist nur wenige Aspekte gleichzeitig beleuchten – aber für mich zählt der gemeinsame Denkprozess, der produktive Austausch – sei er intergenerational, intermedial oder intergeschlechtlich – zu den schönsten und wesentlichsten Bestandteilen meiner künstlerischen Arbeit.
Gerade darin liegt für mich auch die besondere Qualität eines Mentoring-Programms: die Möglichkeit, Wissen, Erfahrungen und auch eine Art ,Muskelgedächtnis‘ zu teilen – und im gleichen Atemzug zu überprüfen. Letzteres gelingt ohnehin nur im Dialog. Nur im Austausch begreift man, warum man bestimmte Dinge ganz selbstverständlich tut. Sich gegenseitig in der Entwicklung zu beobachten, zu begleiten, zu unterstützen und zu ermutigen – genau das macht für mich die Qualität eines solchen Programms aus.
Was interessiert dich an deiner Rolle als Mentor und wie sieht deine Zusammenarbeit mit Grischa Kaczmarek im Rahmen des Programms konkret aus?
Ich kann nicht genau sagen, was mich an der Rolle des Mentors interessiert – mir fällt dazu ehrlich gesagt nichts Allgemeingültiges ein. Ich interessiere mich für Grischa: für seine Arbeit, seinen Alltag, seine Gedanken. Ich nehme ihn in allen Belangen hundertprozentig ernst und verstehe meine Rolle eher als die eines Begleiters – jemand, der ansprechbar ist, der da ist, wenn es gewünscht ist. Ich hoffe, dass ich dabei vielleicht auch etwas über mich und meine eigene Arbeit erfahre.
Wir haben uns ziemlich früh darauf verständigt, dass wir keine Agenda verfolgen wollen. Mir fällt es ohnehin schwer, in Kategorien von ,didaktischen Impulsen‘ zu denken. Grischa ist bereits jetzt unglaublich reflektiert und kommt zu sehr souveränen Ergebnissen. Bei einem meiner ersten Besuche habe ich ihm deshalb gesagt: „Arbeite einfach frei und ohne Hemmungen.“ Er muss mir nichts beweisen – ich begleite ja lediglich den Prozess. Und dann sprechen wir über das, was da ist. Wir schreiben und telefonieren, besuchen uns im Atelier, gehen gemeinsam essen oder zu Eröffnungen. Und es steht auch noch ein größerer ,Betriebsausflug‘ im Raum – vielleicht nach Paris.
Worauf freust du dich in 2025?
Eigentlich freue ich mich gerade auf meine Arbeit im Atelier.
Es gibt einen neuen Werkzyklus, den ich seit Herbst vergangenen Jahres langsam versuche zu verdichten. Gerade beginne ich ihn inhaltlich, gegenüber meinen vorangegangenen Arbeiten und meiner Haltung zu befragen. Das macht viel Freude!
(April 2025)
