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8 FRAGEN AN CHARLOTTE EIFLER

Charlotte Eifler (*1985) lebt und arbeitet in Karlsruhe und Leipzig. Sie studierte an der HGB Leipzig, der UDK Berlin und an der Kunstakademie Düsseldorf.
Charlotte Eifler ist Künstlerin und Filmemacherin und arbeitet mit Bewegtbild, Performance, Installation und XR. In ihren künstlerischen Projekten beschäftigt sie sich mit den Politiken von Repräsentation in Verbindung mit Technologie. Mit dem Fokus auf queer-feministischen Ansätzen und Elementen der Science-Fiction erforscht die Künstlerin Prozesse der Bild- und Geschichtsproduktion und die Vorstellungen von alternativen Zukünften.
Ihre Werke wurden international in renommierten Ausstellungshäusern sowie im Rahmen verschiedener Biennalen und Festivals gezeigt. Sie ist Mitglied in den Netzwerken unlearning canon _ intersectional teaching in Art & Design, Digital Critique, feat.fem, FACES – gender,art,technology und G-Edit. Zudem lehrt sie seit 2021 an der HfG Karlsruhe im Fachbereich Medienkunst, 2024 trat sie dort die Professur für Professur Mixed Realities an.
www.charlotteeifler.xyz

Du hast dein Studium an der HGB Leipzig, der UDK Berlin und an der
Kunstakademie Düsseldorf absolviert. Welches waren deine ersten Schritte in die professionelle künstlerische Tätigkeit?

Während des Studiums habe ich bereits versucht, in eine Ausstellungspraxis zu kommen, entweder über Ausstellungsteilnahmen, vermittelt durch meine damaligen Professor:innen oder über eigene Bewerbungen auf Open Calls. Meinen Diplomfilm habe ich dann bei verschiedenen Screenings, Festivals und Institutionen eingereicht und konnte dadurch neue Kontakte knüpfen.
Ebenso wichtig war die Unterstützung, die ich von erfahrenen befreundeten Frauen erfahren durfte. Ich bin fest überzeugt von der Bedeutung intergenerationaler Solidarität – nicht immer wieder die gleichen Kämpfe zu führen, sondern sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und miteinander zu wachsen. Diese Haltung hat mir nicht nur immer wieder neue Perspektiven geboten, sondern auch Türen in meiner künstlerischen Entwicklung geöffnet.

Welche Stipendien, Residenzen und anderen Förderungen hast du zu Beginn deiner Karriere erhalten und inwiefern haben dich diese Programme bei der Weiterentwicklung deiner Arbeit unterstützt?

Als Kind von Arbeiter:innen sah ich mich zu Beginn meiner künstlerischen Laufbahn schnell mit den praktischen Grenzen konfrontiert, die außerhalb des akademischen Rahmens liegen. Die Wahl der Medien musste stets bewusst und präzise getroffen werden, da es weder Raum noch Ressourcen für ausgiebige Experimente gab. In diesem Kontext war die Werkleitz Masterclass in Halle von unschätzbarem Wert für mich. Sie ermöglichte mir, mich auf ein größeres Projekt einzulassen, das ich ohne das betreuende Mentoring – insbesondere von Merle Kröger – wohl nicht hätte realisieren können. Trotz der fast nicht vorhandenen finanziellen Mittel handelte es sich um ein ambitioniertes, internationales Dokumentarprojekt mit fiktiven Elementen. Die fokussierte Arbeitsweise innerhalb von Werkleitz, die produktive Kritik des Netzwerks sowie die technische Unterstützung machten es letztlich möglich, dieses Projekt in die Tat umzusetzen.

In Bezug auf Stipendien und Förderungen boten mir z. B. Programme wie das Berliner Recherchestipendium eine essentielle finanzielle Basis für die Entwicklung meiner Arbeiten. Residenzen im In- und Ausland, darunter das ISCP Stipendium in New York, das Rosa Luxemburg Stipendium in Moskau und verschiedene Arbeitsstipendien in den Künstlerhäusern Worpswede und den Uferstudios Berlin, gaben mir wertvolle unterschiedliche Perspektiven auf meine künstlerische Praxis. Diese Programme boten nicht nur eine interessante Mischung aus lokalen und internationalen Erfahrungen, sondern ermöglichten mir auch, langfristige Freundschaften und Netzwerke zu etablieren, die bis heute Bestand haben.

Welche Strukturen sind für dich wichtig, um deine filmische künstlerische Praxis voranzubringen? Welche Rolle spielt deine Aktivität in Netzwerken?

Der Austausch, das gegenseitige Lernen und die politischen Ausrichtungen und Aktivitäten innerhalb meiner verschiedenen Netzwerkstrukturen empfinde ich als wichtige Elemente für meine künstlerische Praxis und Auseinandersetzung mit der Welt. Der Kunstbetrieb ist oft eine ziemlich homogene Bubble, dessen Zugänge und Mechanismen stark die gesellschaftlichen Machtstrukturen widerspiegeln, die auch anderswo greifen. Die Netzwerke, mit denen ich mich verbinde, eröffnen mir die Möglichkeit, einen aktivistischen Diskurs zu führen, der teilweise konkrete Veränderungen in sozialen und gesellschaftlichen Strukturen anstrebt.
So konnten z. B. innerhalb des Netzwerks Cobra Antragslogiken unterwandert werden, im Netzwerk unlearning Art & Design werden Lernansätze, Diskriminierungen, Wissenshierarchien und Referenzen im Hochschulkontext hinterfragt und feat.fem wie FACES bietet queere und feministische Vernetzungen im Bereich von künstlerischer Produktion.
Darüber hinaus realisiere ich häufig Projekte in Kollaboration mit Kolleg:innen aus anderen Bereichen wie Clubkultur, Naturwissenschaft, Computer Science, Rechtswissenschaft, Sozialarbeit und aktivistischen Initiativen. Die gegenseitigen Einflüsse, die unterschiedliche Fragestellungen und Ansätze zu gleichen Themen verbinden, nehme ich als sehr bereichernd wahr.

Seit 2021 lehrst du an der HfG Karlsruhe im Fachbereich Medienkunst, in diesem Herbst hast du dort die Professur für Mixed Realities angetreten. Wie bereitest du deine Studierenden auf ihre spätere Laufbahn vor?

Das ist meist nur individuell zu beantworten, da alle mit verschiedenen Hintergründen und Bedingungen an die Hochschule kommen. Herausforderungen wie Aufenthaltsgenehmigungen, Vereinbarkeit von Kunst und Sorgearbeit, prekäre Familienverhältnisse, gesundheitliche Einschränkungen prägen die Art und Weise, wie Studierende ihre berufliche Zukunft gestalten wollen und können.
Darüber hinaus versuche ich, universellere Fähigkeiten zu vermitteln, die ich für eine künstlerische Praxis wichtig finde:
Kollaboration, Resilienz, Solidarität, Kritik, Skills, Humor, Zugänge zu Netzwerken, Förderungen, Institutionen und Ausstellungsorten, Antragslogiken.

Momentan bist du als Mentorin am Kunstbüro Mentoring beteiligt. Worin liegt für dich die besondere Qualität eines solchen Programms?

Für mich liegt die besondere Qualität des Programms darin, dass es einen Raum schafft, in dem künstlerische Prozesse durch das Teilen von Wissen, Erfahrungen und Zugängen in einem offenen Dialog wachsen können.
Ein Mentoring bietet im besten Fall einen Austausch, Begleitung und Einblicke, die ohne diesen Rahmen schwerer zu generieren wären. Es verbindet sich für mich ein bisschen mit der intergenerationalen Solidität wie am Anfang erwähnt – im besten Fall lernen wir voneinander und müssen nicht in die gleichen Fallstricke tappen wie schon Andere vor uns.

Wie sieht deine Zusammenarbeit mit deiner Mentee Iden Sungyoung Kim konkret aus?

Mit Iden bin ich im Austausch zu unseren Arbeiten und den Anknüpfungspunkten im Kunstbereich. Momentan untersucht sie den politischen Diskurs um atomare Waffen und arbeitet international an ihrer künstlerischen Forschung.
Bisher haben wir uns in Paris in ihrem Studio an der Cité internationale des Arts getroffen. In den kommenden Monaten werden wir uns erstmal online austauschen, da Iden am großartigen HIAP – Helsinki International Artist Programme teilnehmen wird.
In unseren Gesprächen geht es auch um die Frage, welche Netzwerke geschaffen werden können, wie wir arbeiten wollen und in ein nachhaltiges Produzieren kommen können.
Darüber hinaus möchte ich mit Iden, sowie den Künstlerinnen Juli Gebhardt und Sophia Seidler, die ebenfalls ihr Studium in BW absolvierten, ein Format finden, wie wir Austausch und künstlerische Praxis verbinden können, um zu viert in einen gemeinsamen Arbeitsprozess zu kommen.

In deinen Projekten nutzt du experimentelle Erzähltechniken, um bestehende Machtstrukturen zu hinterfragen und alternative Formen von Geschichtsproduktion und gesellschaftlichem Miteinander zu imaginieren. Dabei legst du konsequent die Ressourcen und Strukturen von Digitalität offen. Wie verstehst und praktizierst du als Künstlerin „digital empowerment“?

Für mich bedeutet digitales Empowerment einerseits, die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen, die durch digitale Technologien verstärkt oder neu geformt werden, sichtbar zu machen. Welche materiellen Ressourcen wie Wasser, seltene Erden und ähnliches verbrauchen online Aktivitäten und KI, welche persönlichen Daten werden abgegriffen und instrumentalisiert? Gleichzeitig gibt es die starke Vereinnahmung des Netzes und sozialer Plattformen von rechts und ich denke, dass es bei aller Kritikwürdigkeit um zu kurz gefasste Polarisierungen im Internet, wichtig ist, in diesem Raum präsent zu sein. Die Logiken und Spielregeln jedoch zu verschieben und auch immer wieder an physisch geteilte Orte anzubinden. Momentan starte ich z. B. eine Botreihe zu politischen kollektiven Erinnerungen: „Imagine all tech is made by people who love you.“

Woran arbeitest du aktuell? Worauf freust du dich in 2025?

Das Jahr 2025 startet für mich mit einer Ausstellung im CCFA Karlsruhe,
die ich während meiner Residenz in Paris entwickelt habe. Ausgangspunkt waren Skulpturen im öffentlichen und musealen Raum und wie deren Präsenz die Kontinuität von Kolonialismus, Klassismus und konservativen Frauenbildern fortschreibt.
Basierend auf 3D Scans, lasse ich in einer animierten Videoarbeit verloren gegangene Fragmente dieser Skulpturen – wie Zeigefinger, Handgelenke, Armbeugen – in einem verwobenen Setting aus Banktresor, After Hour Club und Museumsarchiv in einen Dialog zu diesen Themen treten. Diese Artefakte (fantômes) stehen hierbei als Synonym für das Nichtanwesende, etwas Ungeklärtes – für eine unerzählte Geschichte, deren Spuren aber in die Gegenwart hineinreichen und an den Bruchstellen der Skulpturen sichtbar werden.
Die textile Installation „contextual Couture” zeigt Camouflage-Kleidungstücke, die es ermöglichen, in ausgewählten europäischen Museen wie dem Louvre oder dem Musée du quai Branly unsichtbar zu werden. Mit dieser Technik können Artefakte aus kolonialem Besitz unentdeckt entnommen werden. Zur Eröffnung wird es eine Performance in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Elle Fierce geben.

Darüber hinaus freue ich mich in 2025 auf die weitere Zusammenarbeit mit Iden Sungyoung Kim im Kontext unseres Mentorings. Im Rahmen meines Seminars werden wir an einer Ausstellung und einem Symposium zum NSU Komplex und zu digitaler Erinnerung arbeiten und mit weiteren Studierenden der HfG werden Interventionen zu den Historienbildern in der Kunsthalle Mannheim entstehen. Auf all diese Dialog- und Lehrformate freue ich mich sehr.

(Februar 2025)

Foto: Charlotte Eifler

Charlotte Eifler, „Fantômes“, 2025

Charlotte Eifler & Clarissa Thieme, „Archival Grid“ (Videostill), 2022

Charlotte Eifler, „feminism is a browser“, web project, 2019–2020 ongoing

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